wer
schläft, sündigt nicht und wer schläft kann nicht
nachdenken - aber jetzt bin ich wieder zurück. kraftlos konnte
ich die vergangenen tage nur arbeiten, essen und mich sofort schlafen
legen. träumend verarbeitete ich alles, was in letzter zeit
gar nicht gut lief - und heute morgen erwachte ich endlich ausgeschlafen,
entspannt und besser gelaunt.
ausgesprochen
gut gelaunt bin ich seit diesem spiegel-fundstück:
Haarige Zeiten von
Bastian Sick
Die
Zunft der Friseure besticht immer wieder durch gnadenlose Originalität.
Ihr Reichtum an Ideen schlägt sich nicht nur in ausgefallenen
Frisuren nieder, sondern auch in den Namen ihrer Salons. Der Zwiebelfisch
lädt ein zu einer Reise durch die Haarchitektur des frisierten
Humors.
"Deine
Haare sind ja ganz schön lang geworden", stellt mein
Freund Henry fest, als wir uns nach meinem Mallorca-Urlaub im
Café treffen. "Ist der Michael-Holm-Look jetzt wieder
in?" Diese Provokation kann nicht unerwidert bleiben, und
so entgegne ich: "Ich finde, solange der Mann noch Haare
hat, kann er dies auch ruhig zeigen. Du trägst dein Hemd
ja schließlich auch nicht immer bis oben zugeknöpft,
Meister Petz."
Henry
schnaubt verächtlich: "Brustbehaarung ist männlich.
Langes Haar hingegen ist hippieverdächtig!" - "Du
weißt doch, jede Mode kommt früher oder später
zurück!" - "Aber nicht immer will man das! Die
Siebziger waren grausam!" - "Die Achtziger fand ich
schlimmer!", sage ich, "erinnere dich nur mal an die
Föhnfrisuren aus 'Dallas' oder an Modern Talking!" -
"An Modern Talking will ich mich nicht erinnern", stöhnt
Henry, "das habe ich erfolgreich verdrängt!"
"Die
Wahrheit ist, ich habe einfach keine Zeit, zum Friseur zu gehen",
sage ich. "Und wenn, dann wüsste ich auch gar nicht,
zu wem ich gehen sollte." - "Du warst doch immer bei
diesem Figaro bei dir um die Ecke - wie hieß der Laden noch
gleich ...?" - "Du meinst 'Schnippschnapp'?" -
"Ja, genau, schni, schna, schnappi!" - "Der kann
aber immer bloß den gleichen Fünf-Millimeter-Kurzhaarschnitt.
Gegen ein bisschen mehr Einfallsreichtum hätte ich nichts
einzuwenden."
Henry
schnappt sich ein Stadtmagazin und schlägt den Anzeigenteil
auf: "Also, an Einfallsreichtum fehlt es unseren Friseuren
nicht. Hier, wie wär's mit dem: 'Querschnitt' - klingt doch
witzig!" - "Bist du sicher, dass das ein Friseur ist
und kein Radiologe?" - "Hier hab ich einen für
dich: 'Lockenpracht'. Oder, noch besser: 'Glückssträhnchen'.
Wolltest du nicht immer schon mal blonde Strähnchen haben?"
- "Aus dem Alter bin ich raus. Was ist mit dem da?"
- "Das 'Haarwerk'? Nein, der kommt für dich nicht in
Frage. Du brauchst inzwischen eher ein 'Haarnetz'! Oder so was
wie den hier: 'Goldlöckchen'. Oder geh am besten gleich zu
dem hier: 'Kopfsalat'."
Henry
blättert um und brummt erstaunt: "Kaum zu fassen. Haben
die etwa alle so originelle Namen?" - "Selbstverständlich",
sage ich, "unter den Friseuren tobt seit Jahren ein erbitterter
Kampf um den witzigsten Namen." - "Dann solltest du
in deiner Kolumne mal einen Preis ausloben", schlägt
Henry vor, "der hier hätte gute Chancen auf den Hauptgewinn:
'Über kurz oder lang'. Wenn das nicht witzig ist!"
Die
Namenserfindungen der Friseure sind tatsächlich eine Kunstform
für sich. Da wird nichts ausgelassen. Wortspiele mit dem
Wort "Haar" sind besonders beliebt: "Haut und Haar",
"Haar Genau", "Haar Scharf", "Haarlekin",
"Haarem" und "Haareszeiten". In fast jeder
größeren Stadt findet man heute einen Laden mit dem
Namen "Haarmonie", und in Köln gibt es nicht nur
eine Philharmonie, sondern auch eine "Philhaarmonie".
Ja, Friseure sind kreativ, in Berlin ist einer sogar "CreHaartiv".
Im Grunde sind sie ja Künstler, und einige sind sogar Zauberkünstler,
so wie die Inhaber des Ladens "Haarbracadabra".
Und
als ich kürzlich zum Hamburger Flughafen fuhr, zwang ich
den Taxifahrer zu einer Vollbremsung, weil ich ein Friseurschild
entdeckt hatte, das ich unbedingt fotografieren musste: "O
Haara". Geht's noch witziger? Ja, es geht! In Berlin gibt
es einen Friseursalon namens "Mata Haari". Was ich bislang
noch nicht gefunden habe, ist ein Geschäft namens "Haarakiri"
- aber ein solcher Name führte womöglich zu Missverständnissen
hinsichtlich der angewandten Methoden. In Wien gibt's einen Frisörsalon
namens "Haarchitektur" und einen namens "GmbHaar".
Da lachen doch die Panzerknacker: "Haar, haar, haar!"
Bei
allem Einfallsreichtum darf man aber nicht vergessen: Auch Friseure
kochen nur mit Wasser, wie ein Laden in Paderborn beweist: Der
nennt sich nämlich "Haar 2 O". Gelegentlich darf
auch das Arbeitsgerät des Friseurs als Namenspatron herhalten:
vom "Spiegelsaal" über den "Scherenschnitt"
und den "Kammpus" bis hin zum "Fönix"
ist alles vertreten.
Henry
schüttelt sich und ruft: "Das ist ja haarsträubend!
Die Zeiten, in denen ein Friseurladen einfach noch 'Salon Krause'
hieß, sind offenbar vorbei." - "Nicht ganz",
tröste ich ihn, "wenn man sich abseits des teuren Pflasters
der Innenstädte umsieht, findet man hier und da noch den
'klassischen' Damen- und Herrenfriseur. Mancher hat sogar noch
die originale Innenausstattung der fünfziger Jahre."
Henry gerät ins Schwärmen: "Wie damals bei uns
auf dem Dorf. Diese grünen Frisierumhänge werde ich
nie vergessen! Da gab es keine wochenlangen Wartelisten, da ging
man einfach rein, bekam seinen Trockenhaarschnitt für 5 Mark,
und gut war's. Und Montag war Ruhetag!"
"Heute
muss man sich schon was einfallen lassen, um gegen die Konkurrenz
zu bestehen", erkläre ich, "gerade in den Städten.
Und da ja gegenwärtig alles nach Internationalität lechzt,
klingen auch viele Friseurnamen englisch." - "Das wundert
mich nicht", sagt Henry, "die meisten Friseure bezeichnen
sich heute schließlich als Hairstylisten." - "'Cut
'n' Curl' oder 'Cut 'n Cruise' sind noch relativ harmlos. 'Delicut',
'Hairport' und 'Bel Hair' sind schon etwas gewagter. Und auf dem
Gebiet der deutsch-englischen Mischformen eröffnen sich dem
wortwitzigen Figaro schier unbegrenzte Möglichkeiten: 'Hin
und Hair', 'Vorhair/Nachhair', 'Hairliche Zeiten' oder 'Hair Gott',
'United Haartists' oder 'Kamm in', um nur ein paar Beispiele zu
nennen. Weißt du übrigens, was 'Kamm in' auf Deutsch
heißt?" Henry blickt mich gespannt an: "Na, was
denn?" - "Haireinspaziert!" - "Autsch, das
liegt jetzt aber schon deutlich über der Schmerzgrenze. Da
sind mir die deutschen Wortspiele noch lieber. 'AbSchnitt' finde
ich gut. Oder 'Kurz und Schmerzlos'. So will man es als Kunde
doch schließlich haben."
"Für
dich mag die Frisur eine Nebensache sein, für andere ist
es eine Haupt-Sache. Die gehen dann zu 'Hauptsache Haar'. Oder
zu 'Barbara's Barber Shop'. Daneben gibt es natürlich noch
die haarigen Klassiker: 'Rapunzel', 'Struwwelpeter' und 'Samson'".
Henry runzelt die Stirn: "Samson aus der Sesamstraße?"
- "Natürlich nicht, sondern Samson aus der Bibel. Der
mit den Superkräften." - "Ach so, der von 'Samson
und Dalida!'" - "Fast. Delilah hieß sie, und sie
schnitt ihm die Haare ab, woraufhin er seine Superkräfte
verlor.
Aber
wo wir schon bei der Bibel sind - da fällt mir noch ein anderer
haarträchtiger Name ein. Kennst du die Geschichte von David
und Absalom?" - "Ich kenne nur David und Goliath",
sagt Henry. "Absalom war Davids Sohn", erkläre
ich, "er versuchte, seinen Vater zu stürzen. In der
Entscheidungsschlacht verfingen sich seine Haare in einem Baum,
und Absalom wurde getötet. " - "Seine Haare wurden
ihm also zum Ver-häng-nis ..." - "Genau. Ist doch
eine tolle Geschichte! Wäre ich ein Friseur, würde ich
meinen Laden AbSalon nennen! Das wäre gleich ein doppeltes
Wortspiel!"
"Hübsche
Idee, aber vermutlich zu intellektuell!", sagt Henry. "Der
Kunde braucht einfache Begriffe; solche, die ihm schon aus weiter
Entfernung zurufen: Schau hair, ich bin ein Friseur, und ich bin
witzig!" - "Du meinst so etwas wie 'Schnittstelle'?",
frage ich. Henry nickt. "Oder wie 'Hairkules - Ihr starker
Friseur'?" Henry kichert. "Oder wie 'Kaiserschnitt'?"
Henry bricht in schallendes Gelächter aus. "Henry, beHAIRsche
dich", ermahne ich meinen Freund, "du verlierst ja völlig
die Fasson!" - "Ich kann nicht mehr!", prustet
Henry, "bitte hör auf!" - "Sehr gern, ich
habe von diesen Wortspielchen ohnehin langsam genug. Was hältst
du übrigens von einem Lokalwechsel?" - "Nichts
dagegen", sagt Henry, "was schlägst du vor?"
- "Lass mich kurz überlegen. Wir könnten in die
'Trink-Bar' gehen oder ins 'Cup & Cino' ..."