-27.04.2006 >>> haarige zeiten

wer schläft, sündigt nicht und wer schläft kann nicht nachdenken - aber jetzt bin ich wieder zurück. kraftlos konnte ich die vergangenen tage nur arbeiten, essen und mich sofort schlafen legen. träumend verarbeitete ich alles, was in letzter zeit gar nicht gut lief - und heute morgen erwachte ich endlich ausgeschlafen, entspannt und besser gelaunt.

ausgesprochen gut gelaunt bin ich seit diesem spiegel-fundstück:

Haarige Zeiten v
on Bastian Sick

Die Zunft der Friseure besticht immer wieder durch gnadenlose Originalität. Ihr Reichtum an Ideen schlägt sich nicht nur in ausgefallenen Frisuren nieder, sondern auch in den Namen ihrer Salons. Der Zwiebelfisch lädt ein zu einer Reise durch die Haarchitektur des frisierten Humors.

"Deine Haare sind ja ganz schön lang geworden", stellt mein Freund Henry fest, als wir uns nach meinem Mallorca-Urlaub im Café treffen. "Ist der Michael-Holm-Look jetzt wieder in?" Diese Provokation kann nicht unerwidert bleiben, und so entgegne ich: "Ich finde, solange der Mann noch Haare hat, kann er dies auch ruhig zeigen. Du trägst dein Hemd ja schließlich auch nicht immer bis oben zugeknöpft, Meister Petz."

Henry schnaubt verächtlich: "Brustbehaarung ist männlich. Langes Haar hingegen ist hippieverdächtig!" - "Du weißt doch, jede Mode kommt früher oder später zurück!" - "Aber nicht immer will man das! Die Siebziger waren grausam!" - "Die Achtziger fand ich schlimmer!", sage ich, "erinnere dich nur mal an die Föhnfrisuren aus 'Dallas' oder an Modern Talking!" - "An Modern Talking will ich mich nicht erinnern", stöhnt Henry, "das habe ich erfolgreich verdrängt!"

"Die Wahrheit ist, ich habe einfach keine Zeit, zum Friseur zu gehen", sage ich. "Und wenn, dann wüsste ich auch gar nicht, zu wem ich gehen sollte." - "Du warst doch immer bei diesem Figaro bei dir um die Ecke - wie hieß der Laden noch gleich ...?" - "Du meinst 'Schnippschnapp'?" - "Ja, genau, schni, schna, schnappi!" - "Der kann aber immer bloß den gleichen Fünf-Millimeter-Kurzhaarschnitt. Gegen ein bisschen mehr Einfallsreichtum hätte ich nichts einzuwenden."

Henry schnappt sich ein Stadtmagazin und schlägt den Anzeigenteil auf: "Also, an Einfallsreichtum fehlt es unseren Friseuren nicht. Hier, wie wär's mit dem: 'Querschnitt' - klingt doch witzig!" - "Bist du sicher, dass das ein Friseur ist und kein Radiologe?" - "Hier hab ich einen für dich: 'Lockenpracht'. Oder, noch besser: 'Glückssträhnchen'. Wolltest du nicht immer schon mal blonde Strähnchen haben?" - "Aus dem Alter bin ich raus. Was ist mit dem da?" - "Das 'Haarwerk'? Nein, der kommt für dich nicht in Frage. Du brauchst inzwischen eher ein 'Haarnetz'! Oder so was wie den hier: 'Goldlöckchen'. Oder geh am besten gleich zu dem hier: 'Kopfsalat'."

Henry blättert um und brummt erstaunt: "Kaum zu fassen. Haben die etwa alle so originelle Namen?" - "Selbstverständlich", sage ich, "unter den Friseuren tobt seit Jahren ein erbitterter Kampf um den witzigsten Namen." - "Dann solltest du in deiner Kolumne mal einen Preis ausloben", schlägt Henry vor, "der hier hätte gute Chancen auf den Hauptgewinn: 'Über kurz oder lang'. Wenn das nicht witzig ist!"

Die Namenserfindungen der Friseure sind tatsächlich eine Kunstform für sich. Da wird nichts ausgelassen. Wortspiele mit dem Wort "Haar" sind besonders beliebt: "Haut und Haar", "Haar Genau", "Haar Scharf", "Haarlekin", "Haarem" und "Haareszeiten". In fast jeder größeren Stadt findet man heute einen Laden mit dem Namen "Haarmonie", und in Köln gibt es nicht nur eine Philharmonie, sondern auch eine "Philhaarmonie". Ja, Friseure sind kreativ, in Berlin ist einer sogar "CreHaartiv". Im Grunde sind sie ja Künstler, und einige sind sogar Zauberkünstler, so wie die Inhaber des Ladens "Haarbracadabra".

Und als ich kürzlich zum Hamburger Flughafen fuhr, zwang ich den Taxifahrer zu einer Vollbremsung, weil ich ein Friseurschild entdeckt hatte, das ich unbedingt fotografieren musste: "O Haara". Geht's noch witziger? Ja, es geht! In Berlin gibt es einen Friseursalon namens "Mata Haari". Was ich bislang noch nicht gefunden habe, ist ein Geschäft namens "Haarakiri" - aber ein solcher Name führte womöglich zu Missverständnissen hinsichtlich der angewandten Methoden. In Wien gibt's einen Frisörsalon namens "Haarchitektur" und einen namens "GmbHaar". Da lachen doch die Panzerknacker: "Haar, haar, haar!"

Bei allem Einfallsreichtum darf man aber nicht vergessen: Auch Friseure kochen nur mit Wasser, wie ein Laden in Paderborn beweist: Der nennt sich nämlich "Haar 2 O". Gelegentlich darf auch das Arbeitsgerät des Friseurs als Namenspatron herhalten: vom "Spiegelsaal" über den "Scherenschnitt" und den "Kammpus" bis hin zum "Fönix" ist alles vertreten.

Henry schüttelt sich und ruft: "Das ist ja haarsträubend! Die Zeiten, in denen ein Friseurladen einfach noch 'Salon Krause' hieß, sind offenbar vorbei." - "Nicht ganz", tröste ich ihn, "wenn man sich abseits des teuren Pflasters der Innenstädte umsieht, findet man hier und da noch den 'klassischen' Damen- und Herrenfriseur. Mancher hat sogar noch die originale Innenausstattung der fünfziger Jahre." Henry gerät ins Schwärmen: "Wie damals bei uns auf dem Dorf. Diese grünen Frisierumhänge werde ich nie vergessen! Da gab es keine wochenlangen Wartelisten, da ging man einfach rein, bekam seinen Trockenhaarschnitt für 5 Mark, und gut war's. Und Montag war Ruhetag!"

"Heute muss man sich schon was einfallen lassen, um gegen die Konkurrenz zu bestehen", erkläre ich, "gerade in den Städten. Und da ja gegenwärtig alles nach Internationalität lechzt, klingen auch viele Friseurnamen englisch." - "Das wundert mich nicht", sagt Henry, "die meisten Friseure bezeichnen sich heute schließlich als Hairstylisten." - "'Cut 'n' Curl' oder 'Cut 'n Cruise' sind noch relativ harmlos. 'Delicut', 'Hairport' und 'Bel Hair' sind schon etwas gewagter. Und auf dem Gebiet der deutsch-englischen Mischformen eröffnen sich dem wortwitzigen Figaro schier unbegrenzte Möglichkeiten: 'Hin und Hair', 'Vorhair/Nachhair', 'Hairliche Zeiten' oder 'Hair Gott', 'United Haartists' oder 'Kamm in', um nur ein paar Beispiele zu nennen. Weißt du übrigens, was 'Kamm in' auf Deutsch heißt?" Henry blickt mich gespannt an: "Na, was denn?" - "Haireinspaziert!" - "Autsch, das liegt jetzt aber schon deutlich über der Schmerzgrenze. Da sind mir die deutschen Wortspiele noch lieber. 'AbSchnitt' finde ich gut. Oder 'Kurz und Schmerzlos'. So will man es als Kunde doch schließlich haben."

"Für dich mag die Frisur eine Nebensache sein, für andere ist es eine Haupt-Sache. Die gehen dann zu 'Hauptsache Haar'. Oder zu 'Barbara's Barber Shop'. Daneben gibt es natürlich noch die haarigen Klassiker: 'Rapunzel', 'Struwwelpeter' und 'Samson'". Henry runzelt die Stirn: "Samson aus der Sesamstraße?" - "Natürlich nicht, sondern Samson aus der Bibel. Der mit den Superkräften." - "Ach so, der von 'Samson und Dalida!'" - "Fast. Delilah hieß sie, und sie schnitt ihm die Haare ab, woraufhin er seine Superkräfte verlor.

Aber wo wir schon bei der Bibel sind - da fällt mir noch ein anderer haarträchtiger Name ein. Kennst du die Geschichte von David und Absalom?" - "Ich kenne nur David und Goliath", sagt Henry. "Absalom war Davids Sohn", erkläre ich, "er versuchte, seinen Vater zu stürzen. In der Entscheidungsschlacht verfingen sich seine Haare in einem Baum, und Absalom wurde getötet. " - "Seine Haare wurden ihm also zum Ver-häng-nis ..." - "Genau. Ist doch eine tolle Geschichte! Wäre ich ein Friseur, würde ich meinen Laden AbSalon nennen! Das wäre gleich ein doppeltes Wortspiel!"

"Hübsche Idee, aber vermutlich zu intellektuell!", sagt Henry. "Der Kunde braucht einfache Begriffe; solche, die ihm schon aus weiter Entfernung zurufen: Schau hair, ich bin ein Friseur, und ich bin witzig!" - "Du meinst so etwas wie 'Schnittstelle'?", frage ich. Henry nickt. "Oder wie 'Hairkules - Ihr starker Friseur'?" Henry kichert. "Oder wie 'Kaiserschnitt'?" Henry bricht in schallendes Gelächter aus. "Henry, beHAIRsche dich", ermahne ich meinen Freund, "du verlierst ja völlig die Fasson!" - "Ich kann nicht mehr!", prustet Henry, "bitte hör auf!" - "Sehr gern, ich habe von diesen Wortspielchen ohnehin langsam genug. Was hältst du übrigens von einem Lokalwechsel?" - "Nichts dagegen", sagt Henry, "was schlägst du vor?" - "Lass mich kurz überlegen. Wir könnten in die 'Trink-Bar' gehen oder ins 'Cup & Cino' ..."

 

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