-17.05.2007 >>> cookies

Wer glaubt, die Metaphysik hätte sich aus diesen gottlosen Zeiten verabschiedet, der muss vor einem Club anstehen. Nicht vor irgendeinem, sondern vor dem Cookies, jener Berliner Party-Institution, die zwischen 1994 und 2001 fünfmal die Location wechselte und doch einmalig blieb.

Erleuchtung, Erleichterung: Comeback-Party des Cookies in Berlin

Erleuchtung, Erleichterung: Comeback-Party des Cookies in Berlin
Gestern feierte man in der Friedrichstraße Neueröffnung, und wie schon in den Jahren zuvor bewährte sich der Türsteher als ominöse Schicksalsmacht, deren Walten der niederen Anschauung verborgen blieb. Und das ist gut so: Wenn Distinktionsmerkmale wie Geld, Status oder Schönheit ihre Gültigkeit verlieren, kommt jenes faszinierende Prinzip zum Zuge, das die Tauschlogik überschreitet: Style.

Auf ihren Style sind die Berliner Szenegänger, vor allem die aus Mitte, besonders stolz - gestern durfte man erleben, warum. Lässig und zugleich edel, energisch und dabei distanziert: Aus diesen Stil- und Gemütslagen wird seit den frühen Neunzigern das Mitte-Feeling gemixt. In der Friedrichstraße, wo Cookies sein neues Domizil bezog, soll es sich nun wieder raumgreifend entfalten.

Das Türhüterszenario ist dabei unverzichtbar: Die Männer und Frauen am Eingang (es müssen zahllose gewesen sein; ein Pulk ihre selektiven Kräfte ständig erneuernden Publikumsausspäher) haben den Musil'schen "Möglichkeitssinn": In ihrem Blick erst verdichten sich Gebaren und Aussehen des Einzelnen zum Party-Potential.

Cool, nicht kalt

Wer schließlich drin war, freute sich, dass alles wieder ist wie früher, auch wenn die Räume des ehemaligen französischen Kulturinstituts größer und eleganter sind als die Cookies-Stationen Postfuhramt (1998 bis 1999) oder Saarbrücker Straße (1999 bis 2001). Draußen die Willkür der Party-Demiurgen zur Steigerung des Verheißungsgefühls, drinnen weltliches Laisser-faire. Ach, du auch hier? "Berlin ist so krass klein."

Diese Nonchalance der Abgebrühtheit auf höchstem Erregungsniveau ist das Resultat jahrelanger Arbeit: Eigentümer Cookies, 30, erkannte schon Anfang der Neunziger, dass leer stehende Gebäude, marode Treppenhäuser und Bauzäune das perfekte Ambiente bieten, um Begehrlichkeiten zu kreieren. Das Label des Berliner Nachtlebens hieß Authentizität, und Cookie galt als einer seiner prägendsten Designer. Wer protzen oder Promis begaffen wollte, musste nach München oder Hamburg fahren - in der Hauptstadt ließ sich Coolness auf Sperrmüllsesseln nieder.

Zum ästhetischen Unterstatement kam mythologieträchtiges Kalkül: Lange verheimlichte Cookie seinen bürgerlichen Namen; in seinem Club herrschte striktes Fotografierverbot - ein bewährter Trick der Präsenzsteigerung, den von Gott bis Thomas Pynchon Kulturträger aller Zeiten erfolgreich angewandt haben.

Endlich im Bilde sein

Jetzt, in der Friedrichstraße, wurde sogar die deutsche Presseagentur vorgelassen, auch Fotohandys waren überall im Einsatz. Die Cookies-Folklore braucht keinen Bildersturm mehr, um sich als It-Instanz zu etablieren. Und überhaupt: Letztlich, so sagen alle, geht es ums Party machen, um die Musik, ums Tanzen. Und was verspricht sich der Cookies-Anhänger vom Neuanfang? "Einen Schuppen, der rockt", sagt Karin Busse, Club-Frau der ersten Stunde, die noch im sagenhaften 90 Grad arbeitete und heute die Kiez-Bar Keyser Soze betreibt. "Ein gutes Line-up", erklärt David Canisius, erster Geiger des Deutschen Kammerorchesters und selbst Cookies-DJ.

Die Welt als Rille und Vorstellung also, und zwischendurch der Smalltalk der medienkreativen Selbstausbeuter, die immer im Dienst sind - auch und gerade hier, wo man Visitenkarten und Handynummern tauscht wie Bussis. Kein Wunder: Das Publikum kommt in die Jahre, die Generation 30 plus bestimmt das Bild. Irgendwo zwischen prekär und elitär liegt Mitte, auch ideologisch nicht der schlechteste Ort, um älter zu werden und auf progressive Weise nostalgisch zu sein. Denn das bedeutet der neue Club für viele: ein Weg zurück in jene Party-Zukunft, die mit dem Cookies 1994 so verheißungsvoll begann.

In einem Nebenraum, abseits der großen Tanzfläche, dröhnte Paul Young aus den Boxen. Der Pop-Crooner aus den Achtzigern schmachtete: "Come back and stay!" So weit, so gut.

[spiegel online]

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