-07.04.2007 >>> klassenfahrt zu den ringelnazis

samstagabend. mein seit wochen vehement verteidigter entspannungsplan ist zu diesem zeitpunkt bereits so sehr gescheitert, wie selten etwas zuvor: seit donnerstag habe ich ununterbrochenes programm und ich habe gerade mal eine stunde schlaf bekommen.
die casa kiehlufer wird inzwischen von frank und mir und meiner freundin und ihrem begleiter bewohnt (deren hotel in kreuzberg (motel one in der prinzenstr.) so abartig ekelig war, dass ich nicht anders konnte, als sie mit offenen armen als meine gäste zu empfangen).
inzwischen macht es einfach nur noch spaß, auch wenn an entspannung ist nicht mehr zu denken ist. das gesamte konzept hat offensichtlich von anfang an nicht zu mir gepasst.

um zwanzig uhr werden wir von k. abgeholt. der abschied von unseren gästen ist mehr als herzlich. ein kleiner teil von mir würde inzwischen doch ganz gern in berlin bleiben... unser vierter mitfahrer, dj dr. mc coy, hat kurzfristig eine andere mitfahrgelegenheit gefunden und so machen wir uns zu dritt entspannt auf den weg nach dessau.
ich bin mal wieder der scout, was zu diesem zeitpunkt noch nicht viel sinn macht, denn die überflüssigen anweisungen des routenplaners machen meinem übernächtigten hirn zu schaffen. so begnüge ich mich mit mehr oder weniger sichere weisungen auf drängende nachfragen, die sich, bis auf zwei fälle, auch als richtig erweisen.

der sehr nervöse partyveranstalter ruft im halbstundentakt an und erwartet genaue anreisezeitpunkte. k. gibt eher allgemeingültige antworten, die sich im nachhinein als absolut treffend erweisen - wir sind ein gutes team.
die gegend wird immer dunkler, ich werde immer müder. als wir die autobahn an der abfahrt dessau ost verlassen, sehen wir (vor großer dunkelheit dahinter) genau ein möbelhaus, eine tankstelle, einen mc donalds - und ein etap-hotel. und genau dort müssen wir hin. yeah!!
auf dem parkplatz angekommen steige ich aus und rufe den üblichen partyruf: "wo sind die nutten und das koks?" und werde direkt aus einem der fenster zur ruhe gerufen: der nervöseste partyveranstalter aller zeiten bittet um contenance auf dem parkplatz, die ich ihm gnädig gewähre.

mit einem höflichen gruß und gelassenen mienen passieren wir den drachen am eingang und steigen in den dritten stock. p.m. öffnet uns erleichtert (und in unterhose) die tür. wir rügen ihn für seinen aufzug, beobachten drei jungs beim duschen und beziehen dann unsere zimmer auf der anderen seite des flurs: doppelbett, darüber ein einzel-hochbett, eine winzige dusch-klo-kabine aus einem guss, alles extrem sauber. schlüssel bekommen wir nicht, die türen sind mit einem sechsstelligen zugangscode (533945 für unser zimmer) gesichert. dieses kleine detail könnte noch zu schwierigkeiten führen. k. bekommt ihr zimmer bei den ersten beiden versuchen nicht geöffnet, aber mit vereinten kräften meistern wir diese kleine tücke.

zwanzig minuten vor der verbredeten zeit brechen wir spontan und hastig auf. leider bleibt dabei meine kamera zurück, so dass ich mit keinen bildern zu den folgenden erlebnissen dienen kann:

wir erreichen den ort des geschehens (dessau hauptbahnhof) gegen zweiundzwanzig uhr. natürlich ist die party noch im aufbau, so dass ich gelegenheit habe, mich ein wenig zu orientieren (half leider nicht). der kleine club (für ca. fünfhundert gäste) ist liebevoll eingerichtet und ausgesprochen schön illuminiert. die bar ist noch nicht geöffnet, was k. und mich nicht daran hindert, den abend mit dem ersten gin tonic (der ist aber klein! vermutlich brauchen wir ganz schön viele...) zu eröffnen. offensichtlich trinken wir auf kosten des veranstalters, denn geld will zunächst niemand von uns... oh je.
noch vor mitternacht ist der laden rappelvoll (genau wie wir) und uns fallen folgende dinge wieder und wieder auf: wir liegen außerhalb jeglichen dresscodes, was ganz eventuell daran liegt, dass wir weder auf große schriftzüge auf jeans & oberbekleidung noch auf ringelshirts stehen. die männer sehen fast ohne ausnahme schlimm aus, die mädchen sind leider weniger hübsch, als im wilden osten erwartet. die stimmung ist trotzdem gut.
sehr viel später fällt mir auf, dass sich keine ausländer in dem club aufhalten. als ich dies k. verwundert mitteile, fangt sie lauthals an zu lachen. "das mag an den ganzen glatzen liegen! und sie sind auch noch schlecht gekleidet... hey, ihr ringelnazis!" und während ich sie noch leicht verstört anschaue, verlässt sie mit kaum wahrnehmbarer schlagseite unseren platz in richtung bar.
in der nächsten stunde versuche ich zu erfassen, was um mich herum eigentlich los ist. nach langer, langer zeit fällt mir auf, dass es nicht nur keine ausländer sindern auch keine schwulen gibt und dass k. nicht zurückgekehrt ist. inzwischen macht sich auch leicht bemerkbar, dass ich gefühlte einhundert gin tonics zu viel getrunken habe. unsere bande macht sich vergeblich auf die suche; sie bleibt verschwunden. ich mache mich auf den weg zur toilette, wo ich auf die idee komme, ihr eine sms zu schicken.
zwei betrunkene, ein gedanke: mich erwartet folgende, vor weniger als zehn minuten abgeschickte nachricht: "wie sieht es aus? mir ist langweilig. wollen wir gehen?"
"wo bist du?"
"im auto. mir ist kalt."
"sind in 5 min da."

mit kaum messbarer verzögerung verlassen wir den ort des ringel-unheils. k. hat sich über die wartezeit mit einem langweiligen hörspiel ausgenüchtert, ich übernehme wieder die rolle des scouts. diesmal mit selbstvertrauen, denn die himmelsrichtung, in der sich das hotel befindet, ist mir noch bewusst. kleine schikanen leiten mich zweimal leicht in die irre, aber ein hilfreicher taxifahrer bestätigt, dass wir fast auf dem richtigen weg sind und sendet uns mit einer winzig kleinen richtungskorrektur zurück zum hotel. wir sehen auf der gesamten fahrt keinen anderen autofahrer und nehmen keinen einzigen bordstein mit. dafür richten wir uns nach mittellinien (k.: "das ist sicherer für uns alle!") und landen erleichtert, kichernd und ausgehungert vor unserem hotel.
spontan überfallen wir die nahe tankstelle, ich pinkele auf dem rückweg nicht vor wut über die nächtliche schließung an die eingangstür von mc. donalds und endlich landen wir ausgekühlt in unserem hotelzimmer, wo ich mein spontan gekauftes bier nicht mehr austrinke und relativ schnell in einen beschützten schlaf falle.
und mit einem üblen kater erwache weil der dj im hochbett über mir zweimal zart furzt.

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