-07.10.2005 >>> Jahreszeitliche Beziehungen

Trifft der Sommer den Herbst. Sagt der Sommer: "Ich bin echt am Ende." Der Herbst kann es nicht mehr hören. Es ist doch jedes Jahr das gleiche.

"So, so", sagt der Herbst. Ansonsten hält er sich bedeckt. Was soll er auch schon sagen? Der Herbst mag den Sommer nicht besonders – er hält ihn für einen Blender, weil die Menschen immer wieder auf ihn hereinfallen. Typisch Sommer - verspricht das Blaue vom Himmel, kann aber nicht mal das Wasser halten. In diesem Jahr war es angeblich ganz besonders schlimm. Regen, Regen, nichts als Regen. Der Sommer hatte wohl ein echtes Tief dieses Jahr. Der Herbst weiß das nur vom Hörensagen. Schließlich war er ja nicht dabei. Der Herbst findet das ungerecht - die meisten Menschen mögen ihn nicht. Sie sehen nur, dass die Tage immer kürzer und die Nächte immer kälter werden. Sie beobachten entsetzt, wie die Bäume sich entblättern. Sie sehen welkes Laub und Nebelschwaden. Wenn Sie in den Spiegel sehen, erinnert sie der Herbst daran, daß sie älter werden. Der Sommer erinnert sie an ihre Jugend. Ausgerechnet dieser Sommer...

Der Herbst hat fast ein bißchen Mitleid mit ihm, denn der Sommer ist ja so was von durch. "Frierst Du?", fragt der ihn fürsorglich. "Ein bisschen. Ich bin ja noch völlig durchnässt.", sagt er leise. Der Herbst reagiert relativ milde und macht auf eitel Sonnenschein. "Ich halt' hier die Stellung. Jetzt geh' schon und erhol' Dich gut." Der Sommer strahlt wieder ein bisschen und verschwindet in Richtung Südhalbkugel.

Der Herbst waltet nun seines Amtes. Er ist ein wahrer Künstler. Seine Leinwand ist der Wald und sein Stil ist sehr vergänglich. Früher oder später geht seine Kunst zu Grunde und verrottet am Boden. Das klingt vielleicht traurig, trägt aber Früchte. Denn das Laub ist der Nährboden für moderne Arbeitbeschaffungs-Maßnahmen. Der Staat zeigt seinen Arbeitslosen, was eine Harke ist. Der Herbst bringt Laub, das Laub bringt Arbeit, die Arbeit bringt einen Euro pro Stunde. Ob sich das lohnt, steht auf einem ganz andern Blatt. Ein Rechen-Beispiel ist es allemal.

Trotz alledem: Es ist nicht leicht, ein Herbst zu sein. Er hat nur wenige Freunde. Einer der wenigen war Albert Camus: "Der Herbst ist ein zweiter Frühling, wo jedes Blatt zur Blüte wird." Der Herbst seufzt: „Ach, Früüühling...“ Er hat schon viel vom Frühling gehört, doch er hat ihn noch nie persönlich getroffen. Immer kam etwas dazwischen, meistens der Sommer oder der Winter. Der eine ist soeben abgehauen. Der andere steht bald schon vor der Tür.

Der Herbst und der Winter können sich nicht leiden. Ihr Verhältnis ist ziemlich unterkühlt. Immer wenn es darum geht, daß...

Ach, dass erzähl ich Ihnen dann, wenn es soweit ist.

Herbstlichst, Ihr Sudel Ede

Quelle: http://berlin.nachtagenten.de/onenews.php4?newnr=4005

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