Trifft der Sommer den Herbst. Sagt der Sommer: "Ich bin
echt am Ende." Der Herbst kann es nicht mehr hören.
Es ist doch jedes Jahr das gleiche.
"So, so", sagt der Herbst. Ansonsten hält er sich
bedeckt. Was soll er auch schon sagen? Der Herbst mag den Sommer
nicht besonders – er hält ihn für einen Blender,
weil die Menschen immer wieder auf ihn hereinfallen. Typisch Sommer
- verspricht das Blaue vom Himmel, kann aber nicht mal das Wasser
halten. In diesem Jahr war es angeblich ganz besonders schlimm.
Regen, Regen, nichts als Regen. Der Sommer hatte wohl ein echtes
Tief dieses Jahr. Der Herbst weiß das nur vom Hörensagen.
Schließlich war er ja nicht dabei. Der Herbst findet das
ungerecht - die meisten Menschen mögen ihn nicht. Sie sehen
nur, dass die Tage immer kürzer und die Nächte immer
kälter werden. Sie beobachten entsetzt, wie die Bäume
sich entblättern. Sie sehen welkes Laub und Nebelschwaden.
Wenn Sie in den Spiegel sehen, erinnert sie der Herbst daran,
daß sie älter werden. Der Sommer erinnert sie an ihre
Jugend. Ausgerechnet dieser Sommer...
Der Herbst hat fast ein bißchen Mitleid mit ihm, denn der
Sommer ist ja so was von durch. "Frierst Du?", fragt
der ihn fürsorglich. "Ein bisschen. Ich bin ja noch
völlig durchnässt.", sagt er leise. Der Herbst
reagiert relativ milde und macht auf eitel Sonnenschein. "Ich
halt' hier die Stellung. Jetzt geh' schon und erhol' Dich gut."
Der Sommer strahlt wieder ein bisschen und verschwindet in Richtung
Südhalbkugel.
Der Herbst waltet nun seines Amtes. Er ist ein wahrer Künstler.
Seine Leinwand ist der Wald und sein Stil ist sehr vergänglich.
Früher oder später geht seine Kunst zu Grunde und verrottet
am Boden. Das klingt vielleicht traurig, trägt aber Früchte.
Denn das Laub ist der Nährboden für moderne Arbeitbeschaffungs-Maßnahmen.
Der Staat zeigt seinen Arbeitslosen, was eine Harke ist. Der Herbst
bringt Laub, das Laub bringt Arbeit, die Arbeit bringt einen Euro
pro Stunde. Ob sich das lohnt, steht auf einem ganz andern Blatt.
Ein Rechen-Beispiel ist es allemal.
Trotz alledem: Es ist nicht leicht, ein Herbst zu sein. Er hat
nur wenige Freunde. Einer der wenigen war Albert Camus: "Der
Herbst ist ein zweiter Frühling, wo jedes Blatt zur Blüte
wird." Der Herbst seufzt: „Ach, Früüühling...“
Er hat schon viel vom Frühling gehört, doch er hat ihn
noch nie persönlich getroffen. Immer kam etwas dazwischen,
meistens der Sommer oder der Winter. Der eine ist soeben abgehauen.
Der andere steht bald schon vor der Tür.
Der Herbst und der Winter können sich nicht leiden. Ihr
Verhältnis ist ziemlich unterkühlt. Immer wenn es darum
geht, daß...
Ach, dass erzähl ich Ihnen dann, wenn es soweit ist.
Herbstlichst, Ihr Sudel Ede
Quelle: http://berlin.nachtagenten.de/onenews.php4?newnr=4005