mitternacht.
wir treffen uns konspirativ an einer straßenecke und machen
uns zu sechst auf den weg zum velodrom. als wir auf das gelände
zugehen, komme ich mir vor, wie auf einem fremden planeten: menschenmassen
bewegen sich auf gigantische stufen zu, strömen alle in dieselbe
richtung. wir erklimmen den wall aus gussbeton und vor uns liegt,
wie eine gestrandete untertasse, das velodrom.
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auf
der suche nach dem vip-eingang umrunden wir fast das gesamte gebäude.
um uns herum horden von schlechtgelaunten, schlecht gekleideten
menschen. viele sind betrunken, einige arg verpeilt. wirklich
entspannt ist niemand. am dritten vip-eingang bekommen wir endlich
unsere ausweise und betreten die veranstaltungshalle über
einen fast roten teppich. billige auslegeware bekommt man leider
kaum in leuchtenden farben... drinnen schlägt uns eine wand
aus schlechter luft, menschlichen ausdünstungen und frittenfett
entgegen. wir steuern als erstes die toiletten an. im mekka der
drogendealer der erste, üble abturn: gerade, als ich die
tür schließe, geht vor den kabinen ein gebrüll
los, fäuste und füße trommeln gegen eine verschlossene
kabinentür. "das kannst du nicht machen, du schlampe!
gib ihr die zehn euro für das zeug! du kannst nicht das pulver
einstecken und dich dann aus dem staub machen. los komm raus!
du machst es nur noch schlimmer!" dann treten sie die tür
ein und ...klären die sache. als ich aus der kabine komme,
traue ich meinen augen nicht: die mädels sind gerade mal
volljährig (wenn überhaupt), sehen fertig und kaputt
aus. ich verlasse diesen ort.
draußen treffe ich orlando. es sieht mich entsetzt an und
raunt mir zu, dass auf dem männerklo marzahner nazis das
geschäft an sich gerissen haben. "ich habe gerade ihre
freundinnen getroffen." murmele ich, während wir uns
auf die suche nach einer bar machen. als wir die arena betreten,
geht das chemical brothers set soeben los. es ist kein fuß
an die erde zu bekommen, der ring um die bar ist schlecht gelaunte
zwei meter dick. sandra schiebt sich todesmutig in die menge,
prallt aber sofort zurück. ich rieche es im selben moment:
schwaden von konzentrierte patzenpisse dünsten aus einem
kerl vor uns. was ist hier los? sandra verzieht die nase. "ein
bischen zu viel gezogen, der penner. wie ekelig." wir wechseln
den standort. nach einer halben stunde haben wir unsere getränke.
die menge tobt. überall dichte marionetten. wir flüchten
mit gesenktem blick auf die tribüne.
den rest des sets schauen wir uns von oben an. vor uns die brüstung,
hinter uns die dichten kinder, unter uns ein hexenkessel. die
musik ist bekannt, die viedeoprojektionen großartig und
die menge vor der bühne tobt. was für ein spaß!
nach anderthalb stunden ist der spuk vorbei. kaum ist das set
beendet, strömen die leute nach draußen. von oben sieht
es aus, als ob jemand einen gigantischen stöpsel gezogen
hätte.
wir machen uns mit unseren zynischen kommentaren keine freunde
- was uns völlig egal ist. gegen halb fünf verlassen
wir den ort des grauens. ich vermeide jeden blickkontakt mit den
uns entgegenkommenden leuten. es ist einfach zu gruselig. ich
werde nicht sagen, dass früher alles besser war, aber es
war definitiv ganz anders. das gestern hatte nichts, überhaupt
nichts mit den parties zu tun, die wir früher besuchten.
schade.