Quelle:
http://neon.stern.de/kat/beruf/jobtipps/1069261729/62999.html
"Leider
müssen wir Ihnen mitteilen...:" Wer sind bloß
diese Schweine, die andere in Zweifel und Ängste stürzen
durch ihre gemeinen Bewerbungsabsagen?
Tja, wer sind sie, die Typen, die den Daumen heben oder senken
bei der Vergabe des Traumjobs und damit Identitätskrisen
und Selbstzweifel auslösen? Und vor allem: Warum machen sie
das? Alles Sadisten?
Nun also:
Ich bin einer von ihnen. Schon mein erster Job brachte mich in
Situationen, in denen ich die kreative Qualität von Grafikern
und Textern bewerten und dann - reichlich Absagen verteilen durfte.
Mein zweiter Job warf mich erst recht ins Herz der Finsternis,
denn dort wurde das Anstellen von Leuten sogar zu meinem Hauptberuf.
Auch derzeit suche ich wieder nach Leuten, und das einzige, was
sich gebessert hat, ist, daß ich die Absagen jetzt nicht
mehr selber schreiben muß. Ich schätze, in den letzten
6 Jahren bis zu 200 Bewerbungsmappen gelesen und Bewerbungsgespräche
geführt zu haben - um am Ende 80% der Kandidaten abzusagen.
Ich Schwein.
Aber warum?
Ein paar Antworten sind klar: Manchmal gibt es nun mal mehr Bewerbungen,
als Stellen da sind, und da muß halt irgendjemand den Kürzeren
ziehen. Aber oft genug suchte ich monatelang nach geeigneten Kandidaten
und verfaßte trotzdem Absage nach Absage. Wie das sein kann?
In Deutschland mit seinen Millionen Arbeitslosen? Nun: Wäre
ich wirklich ein Sadist, hätte ich schon längst eine
Galerie mit dem Namen "Verpeilt & Unverständlich:
Bewerbungs-Lowlights aus der Medienbranche" ins Internet
gestellt. Gut und gern drei Viertel aller Bewerbungen, die ich
je sah, wiesen teils erschütternde Mängel auf bei so
fundamentalen Dingen wie Rechtschreibung, verständliche Formulierung
und optische Aufmachung. Weitere zehn Prozent waren gut, aber
nicht so gut, wie sie hätten sein können. Und an dieser
Stelle kann ich die Eingangsfrage nur zurückgeben: Wer, wer
seid ihr, die ihr etwas nicht völlig Nebensächliches
wie eine bezahlte Anstellung sucht und nicht in der Lage seid,
auch nur ein einziges Komma in euren Anschreiben richtig zu setzen?
Ihr, deren Lebensläufe übelst fehlformatiert sind, obwohl
ihr euch "perfekte Kenntnisse von MS Office" zuschreibt?
Ihr, die ihr euch "Englisch: sehr gut" attestiert und
dann in drei Zeilen englischem Text 5 Anfängerfehler macht?
Was mich immer besonders irritiert: Ist euch die ganze Sache so
wenig wert, daß ihr das Resultat eurer Bemühungen nicht
einmal irgendjemandem zur Korrekturlesung vorlegen zu müssen
glaubt? WG-Mitbewohner, Mutter, Freundin?
Hinzu kamen
über die Jahre die eigenartigsten Einlassungen von Bewerbern,
die die erste Hürde genommen und mir nun vis a vis im Interview
gegenübersaßen. Ganz erbarmenswert war vor einigen
Wochen die Antwort einer Praktikums-Bewerberin auf meine Frage,
weswegen sie zwar Publizistik studiert hätte, nun aber nicht
Journalistin werden wolle. Sie - übrigens mit einem Abiturschnitt
von 1,2 -, treuherzig: Sie hätte gehört, da müsse
man so viel arbeiten. Außerdem würde man nicht mit
Sicherheit übernommen. Und hätte unregelmäßige
Arbeitszeiten, auch länger als 8 Stunden am Tag. Und unregelmäßige
Einkünfte. Und auf Kommando kreativ sein, nein, das läge
ihr auch nicht.
Es gab Zeiten,
vor einigen Jahren, da war ich so verzweifelt über das, was
mir täglich auf oder vor den Schreibtisch flatterte (Kettenraucher;
zerlumpt Gekleidete; nach Schweiß Dünstende), daß
ich dachte: Es reicht doch schon, kein Analphabet und normal nett
und vernünftig zu sein, um einen Job zu bekommen! Sind die
normal Netten und Vernünftigen hinter meinem Rücken
ausgestorben?
Heute denke
ich: Bitte tut euch selber einen Gefallen und ARBEITET an euren
Bewerbungen. Nur ein klein bißchen, bitte, bitte. Überwindet
euren Stolz, auch wenn ihr Klassenbeste oder Hochschulabsolventen
seid, und legt eure Unterlagen Freunden oder sogar Profis vor
- Bewerbungscoachings gibt es doch an jeder Ecke. Macht mal ein
Test-Job Interview. Zum Dank dafür verspreche ich euch, daß
ich gute, interessante Bewerbungen, die aber auf meine Stellen
nicht passen, an befreundete Unternehmen sogar weiterleite!
Ist
das ein Deal?
...und etwas
später in der Forumsdiskussion:
-
Da wären einmal die pro-forma-Bewerbungen für das Arbeitsamt:
Handgeschrieben auf kariertem Umweltpapier mit fettigem Fingerabdruck
mittig oben ist kaum noch zu schlagen...
-
Kritisches Gegenlesen ist Gold wert. Wenn ich da an die Bewerbungen
denke, in denen Minderwertigkeitsgefühle und persönliche
Schwächen geradezu zwischen den Zeilen hervorspringen...
au weia.
-
Wären Bewerbungsfotos repräsentativ für die Gesamtbevölkerung
Deutschlands, würde ich das Land fluchtartig verlassen. So
vielen grießgrämigen, grimmigen und zickigen Gesichtern
begegnet man im echten Leben zum Glück nicht. Ich hatte zwischenzeitlich
schon die Theorie entwickelt, es könne sich um eine eigene
Bevölkerungsgruppe handeln, die in Passfoto-Automaten lebt.
Auch
Sprachkenntnisse sind keineswegs so weit verbreitet, wie man annehmen
könnte. Auf die Ausschreibung für einen zweisprachigen
Job schienen etwa acht Personen nach Papierlage qualifiziert zu
sein.
Die Hälfte (!!) dieser vermeintlichen Sprachgenies weigerte
sich dann allerdings im Vorstellungsgespräch, mit mir ein
paar Sätze auf Englisch zu wechseln. Auch auf mehrfaches,
ganz freundliches Nachfragen. Nix zu machen.
Ohne Worte...
Auch
das Interesse, wirklich einen Schlag reinzuhauen, scheint insgesamt
eher spärlich gesäht. Wenn ich von arbeitslosen Bekannten
höre, daß sie am liebsten nur halbtags arbeiten wollen
und am Wochenende schon mal gar nicht, packt mich das Grausen.
Ich bin ja momentan leider selbst öffentlich-rechtlich, aber
dass man auch am Wochenende und im Notfall auch im Urlaub die
Kollegen nicht sitzen lässt, halte ich für selbstverständlich.
Deswegen muß man sich ja nicht gleich ausnehmen lassen wie
die sprichwörtliche Weihnachtsgans. Geben und nehmen sollte
schon sein...
Ich
verstehe auch gar nicht, warum so viele Leute unbedingt in Konzernen
arbeiten wollen. Bei manchen dieser Läden würde ich
noch nicht mal tot über dem Zaun hängen wollen.