-12.02.2006 >>> dämmerwelt

bonk.
bonk. bonk.

BONK.
mit mühe öffne ich meine augen. es beginnt gerade zu dämmern. mit einem auge schiele ich nach meinem handy. die uhr darauf sagt: es ist sonntagmorgen, 6 uhr 17.
BONK. BONKBONKBONKBONKBONKBONK BOOOONKKK. meine pflanzen wackeln. durch die dünne decke höre ich nur leicht gedämpftes kindergekicher.
ich ziehe mein dickes federkissen über meinen kopf. es ist zwecklos: das trampelkind ist so in fahrt, dass nicht nur meine pflanzen und die lampe, sondern auch mein spiegel bedenklich zu wackeln beginnt.
es reicht. mein normalerweise unendlich langer geduldsfaden ist gerissen und seine enden rollen sich immer enger zu kleinen schnecken zusammen.
BONK. bonk. bonkbonk bonk bonk bonk bonk bonk.
mit zusammengezogenen brauen und gerunzelter stirn schleppe ich mich ins bad und reibe meine augen mit zwei winzigen tropfen kalten wassers klar. wirklich fit sehe ich nicht aus, aber wer will das schon an einem sonntag vor sonnenaufgang? der mop auf meinem kopf wird mit einem gummiband gebändigt. meine zähne putze ich schnell, ziehe mir eine hose, turnschuhe und eine kaputzenjacke an, schnappe eine tasse aus der küche und meinen schlüssel von seinem haken und verlasse meine wohnung. ich habe es nicht weit: um 6 uhr 43 klingele ich an der wohnungstür der mieter über mir. das trampeln stockt. ansonsten keine reaktion.
ich klingele wieder, diesmal etwas länger. kinderschritte nähern sich zaghaft der tür. wie - dieses kind kann leise gehen? es hat gar keine behinderung, welche es zum lärm machen zwingt? ich versuche, meine sich wieder runzelnde stirn zu glätten, aber es ist zwecklos. noch immer ist die wohnngstür geschlossen und ich höre keinen laut mehr. ich bilde mir ein, das trampelkind auf der anderen seite der tür atmen zu hören, aber das ist nur mein jetzt überwacher geist.
bonk.bonkbonkbonk. bonk. bonk.
das kind entfernt sich wieder von der tür. es hat alle vorsicht vergessen und der boden bebt unter meinen füßen. es reicht mir. ich klingele wieder, diesmal lasse ich den finger auf dem knopf. drrrrrrriiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiinnnnng.
es tut sich was auf der anderen seite! das kind kommt näher (ich kann es unter meinen füßen spüren) und jemand nähert sich, lauter fluchend als die schrille klingel, der tür. ich nehme den finger vom knopf. durch die plötzliche stille klingt der sich drehende schlüssel überlaut. die tür öffnet sich mit einem ruck und aus dem türspalt ergießt sich zunächst übel riechende luft: paviankäfig gepaart mit kaltem zigarettenrauch. hinter dem türspalt ein blasses, faltiges, übernächtigtes gesicht mit bartstoppeln. ""WAS IST DEIN PROBLEM?????" schreit mich eine schlafrauhe stimme an. ich wende spontan und ruckartig mein gesicht vor dem stinkenden atem ab und versuche, ohne hinzusehen, meine tasse zu den schmalen türspalt zu schieben. leider ohne erfolg. der mann hält von innen dagegen.
"ich hätte gern meinen kaffee." sage ich ohne zu lächeln.
stille.
verklebte augen starren mich verwirrter als wütend an.
das blasse männergesicht holt tief luft, öffnet den mund und will losbrüllen.
mein leerer magen würde diesen geruch nicht ertragen, also schneide ich ihm das wort ab, bevor es beginnt. "da ich jeden morgen von eurem polternden kind geweckt werde, ist es ja wohl legitim, mit einem kaffee von euch in den tag zu starten."
die tür wird vor meiner nase zugeschlagen. nach einem kurzen moment klingele ich noch einmal. keine reaktion. ich stelle die tasse auf der fußmatte ab und gehe zurück in meine wohnung.

die wohnungstür schließe ich hinter mir ab. sicher ist sicher. auf dem kurzen weg ins wohnzimmer höre ich von oben ein zaghaftes bonk. dann einen gedämpften ruf. relativ leises bonk bonk bonk. meine planzen erzittern nur ganz leicht. BONK! erregtes maulen. dann stille. zaghaft knarren über mir die dielen. bonkBONNK. ein erwachsener springt durch die wohnung, schreit ein kind an, es soll endlich ruhe geben, dann wird dasselbe kind vermutlich kurz geschlagen und beginnt zu heulen. erneut erregtes maulen. das heulen wird leiser. noch einmal geschelte, dann ist ruhe.
ruhe...
unglaubliche, wunderbare, großartige, allumfassende ruhe. ich lasse mich halb angezogen aufs bett fallen. von dem fast unhörbaren schluchzen aus der wohnung über mir werde ich in den schlaf gelullt. meine letzten gedanken gelten dem trampelkind, dem ich eigentlich keinen schaden zufügen wollte, aber es ist zu früh, um sich über anderer leute erziehungsmaßnahmen den kopf zu zerbrechen. ich schlafe ungestört ein.

viel, viel später:
gut gelaunt und von allein erwache ich gegen zehn. um mich herum herrscht nach wie vor stille. mit viel mühe kann ich leises gemurmel von oben hören. dann schritte, die so vorsichtig sind, dass sich meine deckenlampe nicht mal bewegt. lächelnd starte ich ein zweites mal mit einem genüsslichen frühstück im bett in diesen sonntag.

noch etwas später:
gut, dass die rote farbe endlich alle ist, ansonsten hätte ich weitere zwei tage lang durchgestrichen. alle renovierungsarbeiten, die ich verschämt wochenende um wochenende aufgeschoben hatte, sind endlich erledigt. flur und bad sind gestrichen, alle türen und fenster lackiert und dann all die millionen flecken, dich ich beim durchschnittlichen fleißig sein um mich und auf mir verkleckere, sind abgekratzt und die reste beseitigt.

die sonne scheint so strahlend in meine frische wohnung, dass ich fast in versuchung bin, noch fenster zu putzen, um das gesamtbild zu perfektionieren. aber das spare ich mir lieber für den hoffentlich bald kommenden, mit dem ungeliebten frühjahrsputz verbundenen frühlingsbeginn auf.
ich werde wohl eher mal wieder meine umzugskartons und schubladen nach dingen durchforsten, die ich entsorgen kann. mein herz hängt glücklicherweise nicht an erinnerungsstücken, ansonsten wäre meine wohnung zu klein. mein herz hängt an meinen aufzeichnungen, deshalb sind meine bücherregale so groß.

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