geplant
war lediglich ein weiterer kurzbesuch zum abendessen und wohligen
zusammensein in stuttgart: abends um acht ankommen, am nächsten
morgen um acht zurück in berlin sein - und ich bleibe prompt
im ersten schneechaos des jahres stecken. *lol*
04:30
- aufbruch zum flughafen. der schnee liegt gut zwanzig zentimeter
hoch. bei meiner ankunft scheint noch alles in bester ordnung zu
sein. auffallend finde ich die aufgestellten feldbetten mit schlafenden
schon, da aber alle extrem braungebrannt sind, schiebe ich es auf
einen ausgefallenen urlaubertransfer. in der abflughalle mache ich
es mir einigermaßen bequem und beginne zu lesen. ich bin leicht
übernächigt, bis zum hals angefüllt mit cocktails
und in bester stimmung. kein
wunder, dass ich die zeichen nicht zu deuten vermag.
|
06:39 - jeder blick aus dem fenster verheisst nicht wirklich gutes:
schneetreiben wäre untertrieben, schneechaos ist eigentlich
zuviel des guten. es ist ein zustand mittendrin, also einer dieser
momente, in denen die verantwortlichen gern die übersicht
verlieren und jegliche kompetenzen einbußen. wer rechnet
schon ende januar mit schneefall in deutschland?
08:44 - ich bin immer noch ausreichend betrunken, um die zustände
hier mit humor zu nehmen, aber lange nicht betrunken genug, um
einzuschlafen. egal, ob es auf einem mehr oder weniger schmuddeligen
(mehr) fußboden oder einer vier-sterne-lounge im momentan
höchst hypothetischen hilton ist. wenn ich erst mal schlafe,
verpasse ich mit garantie den letzten aufruf zu meinem flug. das
kann und darf einfach nicht noch mal passieren.
ich kann nur folgendes tun: abwarten, beobachten und kommentieren.
ich könnte außerdem all die schlafenden auf den liegen
fotografieren.. ich könnte den stuttgarter flughafen-sexshop
plündern und immer wieder mit neuen geräten durch die
sicherheistskontrollen gehen, bis wirklich jeder dort gemerkt
hat, dass ich nur spielen will.
bilder schießen lautet aber meine erste mission. heimlich.
aus der hüfte. böse...
bis ich selbst erwischt werde.
aufgrund der wetterverhältnisse wird der flugverkehr komplett
eingestellt. die landebahnen werden zwar immer wieder geräumt,
aber starker wind und schneetreiben machen die ergebnisse zu schnell
wieder zunichte.
wir werden auf 11:00 vertröstet.
10:57 - soeben wurden alle flüge auf 13:30 verschoben. ich
bin nicht mehr sicher, ob ich es heute noch zurück nach berlin
schaffe. nicht, dass ich etwas dagegen hätte, an einem flughafen
meinen tag zu verbringen. aber dann bitte freiwillig und an einem
flughafen meiner wahl.
|
13:46
- der flughafen wird für zwei flüge kurzzeitig wieder
aktiv. die starts laufen alles andere als problemlos, aus sicherheitsgründen
wird wieder alles eingestellt. inzwischen ist klar, dass nichts
gehen wird, solange der schneefall nicht nachlässt. beim
versuch umzubuchen sehe ich die ersten fernsehteams, die aufgebrachte
reisende interviewen.
14:55 - ganz
großes flughafen-kino! tausende genervte flugreisende am
terminal (ok, hunderte, schließlich sind wir in stuttgart
und nicht in berlin), heiße freigetränke bei allen
orange gekleideten helferleinstationen, lange gesichter, böse
kommentare, kaum entspanntheit.
kaum entspanntheit? ich für meinen teil kann nicht klagen.
da mein notebookakku aber langsam abkackt, muss ich mich auf andere
dinge konzentrieren. zum beispiel darauf, den ort zu suchen, an
dem sich all diejenigen versammelt haben, die ähnlich drauf
sind, wie ich, und für einige stunden dem spaß tribut
zollen. wenn nur meine wollstrickjacke nicht so warm wäre
und ich mich insgesamt ein wenig weniger übernächtigt
und viel appetitlicher fühlen würde...
ob es später noch eine schicke flughafenschlägerei gibt?
weil die nerven blankliegen? weil zeit ist? und möglichkeit?
weil man einfach ...nichts anderes tun kann? momentan ist alles
möglich.
langsam fehlen mir neben der akkuleistung auch die worte, deshalb
mache ich mich erst mal auf die suche nach einer öffentlich
zugänglichen steckdose.
15:15
- mein flug wurde soeben gestrichen.
bei der umbuchung gab es die üblichen probleme: hunderte
wütende passagiere, deren flüge ebenfalls gestrichen
waren (zum teil für mehrere tage), eine einzige servicekraft,
die gute miene zum bitterbösen spiel machte, eine freche
blondine, die sich an der kilometerlangen schlange nach vorne
drängelte um einen der wenigen flüge zurück nach
berlin am heutigen tag zu ergattern. dreistigkeit siegte in diesem
fall; ich bekam einen der letzten fünf verfügbaren plätze.
in der schlange hinter mir wurde geflucht und geschimpft. ich
lächele mit leicht gefletschten zähnen zurück.
nach einer stunde in der schlange musste ich mich am gegenüberliegenden
schalter ein weiteres mal fürs einchecken anstellen. die
erforderlichen daten waren noch nicht da, so dass ich auf einen
kaffee auf hlx-kosten weggeschickt wurde. als ich zurückkam,
war die schlange auf fast dreißig meter angewachsen, in
die ich mich nach kurzem schock mit unglaublichem gleichmut einreihte.
wenn ich eines hatte, dann zeit - bei fünf stunden bis zum
hoffentlich planmäßigen abflug.
plötzlich hörte ich meinen namen laut und deutlich vom
schalter - die freundliche fachkraft hatte mich aus der ferne
erkannt und mein ticket bereits in der hand. freundlichkeit gegenüber
dem personal zahlt sich in stresssituationen einfach immer aus!
erleichtert drängte ich mich an denselben, wieder fluchenden
leuten vorbei, bedankte mich kraftlos aber herzlich und schlich
zurück zu meinem musiksessel.
|
17:30
- ich habe zwischenzeitzlich versucht, die wartezeit bis zu meinem
umgebuchten flug mit einem besuch bei christiane zu versüßen.
leider ließ die verkehrssituation auch dieses nicht zu.
mit dem ziel in sichtweite musste ich umkehren, um rechtzeitig
zurück im terminal zu sein.
18:00
- endlich ist bordingtime, ich kann kaum noch meine augen offen
halten und dann vernehme ich folgende durchsage: "leider
müssen wir ihnen mitteilen, dass ihre maschine noch in stockholm
ist. wir wissen nicht, wann sie hier ankommen wird. wir bitten
sie um noch ein wenig geduld."
zu diesem zeitpunkt hocke ich auf einem absperrgitter, welches
unter mir zu wackeln beginnt. als ich mich erstaunt umsehe, erkenne
ich die bombenfesten fixierungen; ich bin es, die inzwischen schwankt.
leider ist von meiner geduld nicht mehr viel übriggeblieben.
ich bin seit gestern morgen 08:00 wach, also inzwischen fast zwei
komplette tage. das konnte ich früher zwar wesentlich länger
& besser, aber dann habe ich dabei wengstens getanzt.
neben mir sitzen zwei reizende ältere damen, exquisit gekleidet,
die mit charmantem lächeln und perfektem lippenstift die
situation so sarkastisch kommentieren, dass ich schon bauchschmerzen
vom leisen lachen bekomme. gut - soange ich mich dermaßen
amüsiere, schlafe ich nicht ein.
ich fürchte, ich werde morgen noch hier sitzen, und ich fühle
mich jetzt schon schaurig. ich würde all mein geld geben
für eine dusche. auf meinen merkzettel für das nächste
abenteuer schreibe ich "baumwolle oder kaschmir statt schurwolle"
und diverse psychopharmaka.
gut, dass dies der letzte, übriggebliebene affärenflug
war. nach meinen zwei letzten erlebnissen in diese stadt zieht
es mich nicht mehr an diesen flughafen.
langsam kochen die gemüter über. die ersten passagiere
werden laut. ob es hier gleich eine schlägerei gibt? hatte
ich nicht vor einigen stunden danach verlangt?
19:57 - inzwischen bin ich nicht mehr sicher, ob ich dieses terminal
überhaupt noch mal in diesem leben verlassen werde. ganz
sicher werde ich sehr bald an übermüdung oder hunger
elendig eingehen. ich gönne mir ja sonst nichts.
strom ist auch gleich wieder alle, also muss ich wieder die kilometer
bis zu meiner ganz persönlichen steckdose laufen. ich weiß
bald nicht mehr wohin mit mir und meiner schwindenden energie.
auf dem langen weg dorthin erlebe ich das erste schöne an
diesem tag:
ein grandioser beatboxer sitzt in einer ansonsten verwaisten lounge.
er ist talentiert, hat ein hinreißendes lächeln und
keine zeit, zu reden. schließlich macht er musik. uns zwar
verdammt gute, entspannte musik, die mich dazu bringt, mich dazuzusetzten,
mit den beinen zu wippen und die augen zu schließen. so
lässt es sich aushalten.
bis zu meinem rückflug. irgendwann.
meine hoffnung stirbt eindeutig immer zu allerletzt.
was
danach noch geschah:
- weitere vertröstungen bis 21:39
- eine fehlende passagierin, auf die wir stundenlang warteten
(was letztendlich ganz gut war, denn die frau neben mir wollte
eigentlich nach dresden)
- dann hatten wir plötzlich mehr koffer im flieger als vorher
aufgenommen - terrorstufe gelb, alle koffer raus, hektische kontrolle,
alle koffer wieder rein: schreibfehler.
- unser platz in der enteisungsschlange war nach diese aktion
natürlich weg, also wieder hinten anstellen. platz neun bedeutete
eine weitere verzögerung um fast eine stunde.
in diesem moment wackelte der kleine not-aus-schalter in meinem
kopf bedenklich, aber ich behielt die kontrolle und gab mich nicht
dem süßen wahnsinn hin. man hätte mich eh nur
aus der maschine geschafft, ruhiggestellt und dann in stuttgart
festgehalten. in denselben klamotten.
um kurz vor eins war ich wieder in berlin.
nachtrag: another
day, another life - same shit