-24.01.2007 >>> beatbox

geplant war lediglich ein weiterer kurzbesuch zum abendessen und wohligen zusammensein in stuttgart: abends um acht ankommen, am nächsten morgen um acht zurück in berlin sein - und ich bleibe prompt im ersten schneechaos des jahres stecken. *lol*






04:30 - aufbruch zum flughafen. der schnee liegt gut zwanzig zentimeter hoch. bei meiner ankunft scheint noch alles in bester ordnung zu sein. auffallend finde ich die aufgestellten feldbetten mit schlafenden schon, da aber alle extrem braungebrannt sind, schiebe ich es auf einen ausgefallenen urlaubertransfer. in der abflughalle mache ich es mir einigermaßen bequem und beginne zu lesen. ich bin leicht übernächigt, bis zum hals angefüllt mit cocktails und in bester stimmung. kein wunder, dass ich die zeichen nicht zu deuten vermag.


06:39 - jeder blick aus dem fenster verheisst nicht wirklich gutes: schneetreiben wäre untertrieben, schneechaos ist eigentlich zuviel des guten. es ist ein zustand mittendrin, also einer dieser momente, in denen die verantwortlichen gern die übersicht verlieren und jegliche kompetenzen einbußen. wer rechnet schon ende januar mit schneefall in deutschland?

08:44 - ich bin immer noch ausreichend betrunken, um die zustände hier mit humor zu nehmen, aber lange nicht betrunken genug, um einzuschlafen. egal, ob es auf einem mehr oder weniger schmuddeligen (mehr) fußboden oder einer vier-sterne-lounge im momentan höchst hypothetischen hilton ist. wenn ich erst mal schlafe, verpasse ich mit garantie den letzten aufruf zu meinem flug. das kann und darf einfach nicht noch mal passieren.
ich kann nur folgendes tun: abwarten, beobachten und kommentieren. ich könnte außerdem all die schlafenden auf den liegen fotografieren.. ich könnte den stuttgarter flughafen-sexshop plündern und immer wieder mit neuen geräten durch die sicherheistskontrollen gehen, bis wirklich jeder dort gemerkt hat, dass ich nur spielen will.
bilder schießen lautet aber meine erste mission. heimlich. aus der hüfte. böse...
bis ich selbst erwischt werde.
aufgrund der wetterverhältnisse wird der flugverkehr komplett eingestellt. die landebahnen werden zwar immer wieder geräumt, aber starker wind und schneetreiben machen die ergebnisse zu schnell wieder zunichte.
wir werden auf 11:00 vertröstet.

10:57 - soeben wurden alle flüge auf 13:30 verschoben. ich bin nicht mehr sicher, ob ich es heute noch zurück nach berlin schaffe. nicht, dass ich etwas dagegen hätte, an einem flughafen meinen tag zu verbringen. aber dann bitte freiwillig und an einem flughafen meiner wahl.


13:46 - der flughafen wird für zwei flüge kurzzeitig wieder aktiv. die starts laufen alles andere als problemlos, aus sicherheitsgründen wird wieder alles eingestellt. inzwischen ist klar, dass nichts gehen wird, solange der schneefall nicht nachlässt. beim versuch umzubuchen sehe ich die ersten fernsehteams, die aufgebrachte reisende interviewen.

14:55 -
ganz großes flughafen-kino! tausende genervte flugreisende am terminal (ok, hunderte, schließlich sind wir in stuttgart und nicht in berlin), heiße freigetränke bei allen orange gekleideten helferleinstationen, lange gesichter, böse kommentare, kaum entspanntheit.
kaum entspanntheit? ich für meinen teil kann nicht klagen. da mein notebookakku aber langsam abkackt, muss ich mich auf andere dinge konzentrieren. zum beispiel darauf, den ort zu suchen, an dem sich all diejenigen versammelt haben, die ähnlich drauf sind, wie ich, und für einige stunden dem spaß tribut zollen. wenn nur meine wollstrickjacke nicht so warm wäre und ich mich insgesamt ein wenig weniger übernächtigt und viel appetitlicher fühlen würde...
ob es später noch eine schicke flughafenschlägerei gibt? weil die nerven blankliegen? weil zeit ist? und möglichkeit? weil man einfach ...nichts anderes tun kann? momentan ist alles möglich.

langsam fehlen mir neben der akkuleistung auch die worte, deshalb mache ich mich erst mal auf die suche nach einer öffentlich zugänglichen steckdose.

15:15 - mein flug wurde soeben gestrichen.
bei der umbuchung gab es die üblichen probleme: hunderte wütende passagiere, deren flüge ebenfalls gestrichen waren (zum teil für mehrere tage), eine einzige servicekraft, die gute miene zum bitterbösen spiel machte, eine freche blondine, die sich an der kilometerlangen schlange nach vorne drängelte um einen der wenigen flüge zurück nach berlin am heutigen tag zu ergattern. dreistigkeit siegte in diesem fall; ich bekam einen der letzten fünf verfügbaren plätze. in der schlange hinter mir wurde geflucht und geschimpft. ich lächele mit leicht gefletschten zähnen zurück.
nach einer stunde in der schlange musste ich mich am gegenüberliegenden schalter ein weiteres mal fürs einchecken anstellen. die erforderlichen daten waren noch nicht da, so dass ich auf einen kaffee auf hlx-kosten weggeschickt wurde. als ich zurückkam, war die schlange auf fast dreißig meter angewachsen, in die ich mich nach kurzem schock mit unglaublichem gleichmut einreihte. wenn ich eines hatte, dann zeit - bei fünf stunden bis zum hoffentlich planmäßigen abflug.
plötzlich hörte ich meinen namen laut und deutlich vom schalter - die freundliche fachkraft hatte mich aus der ferne erkannt und mein ticket bereits in der hand. freundlichkeit gegenüber dem personal zahlt sich in stresssituationen einfach immer aus! erleichtert drängte ich mich an denselben, wieder fluchenden leuten vorbei, bedankte mich kraftlos aber herzlich und schlich zurück zu meinem musiksessel.

17:30 - ich habe zwischenzeitzlich versucht, die wartezeit bis zu meinem umgebuchten flug mit einem besuch bei christiane zu versüßen. leider ließ die verkehrssituation auch dieses nicht zu. mit dem ziel in sichtweite musste ich umkehren, um rechtzeitig zurück im terminal zu sein.

18:00 - endlich ist bordingtime, ich kann kaum noch meine augen offen halten und dann vernehme ich folgende durchsage: "leider müssen wir ihnen mitteilen, dass ihre maschine noch in stockholm ist. wir wissen nicht, wann sie hier ankommen wird. wir bitten sie um noch ein wenig geduld."
zu diesem zeitpunkt hocke ich auf einem absperrgitter, welches unter mir zu wackeln beginnt. als ich mich erstaunt umsehe, erkenne ich die bombenfesten fixierungen; ich bin es, die inzwischen schwankt.

leider ist von meiner geduld nicht mehr viel übriggeblieben. ich bin seit gestern morgen 08:00 wach, also inzwischen fast zwei komplette tage. das konnte ich früher zwar wesentlich länger & besser, aber dann habe ich dabei wengstens getanzt.

neben mir sitzen zwei reizende ältere damen, exquisit gekleidet, die mit charmantem lächeln und perfektem lippenstift die situation so sarkastisch kommentieren, dass ich schon bauchschmerzen vom leisen lachen bekomme. gut - soange ich mich dermaßen amüsiere, schlafe ich nicht ein.

ich fürchte, ich werde morgen noch hier sitzen, und ich fühle mich jetzt schon schaurig. ich würde all mein geld geben für eine dusche. auf meinen merkzettel für das nächste abenteuer schreibe ich "baumwolle oder kaschmir statt schurwolle" und diverse psychopharmaka.
gut, dass dies der letzte, übriggebliebene affärenflug war. nach meinen zwei letzten erlebnissen in diese stadt zieht es mich nicht mehr an diesen flughafen.
langsam kochen die gemüter über. die ersten passagiere werden laut. ob es hier gleich eine schlägerei gibt? hatte ich nicht vor einigen stunden danach verlangt?

19:57 - inzwischen bin ich nicht mehr sicher, ob ich dieses terminal überhaupt noch mal in diesem leben verlassen werde. ganz sicher werde ich sehr bald an übermüdung oder hunger elendig eingehen. ich gönne mir ja sonst nichts.

strom ist auch gleich wieder alle, also muss ich wieder die kilometer bis zu meiner ganz persönlichen steckdose laufen. ich weiß bald nicht mehr wohin mit mir und meiner schwindenden energie.

auf dem langen weg dorthin erlebe ich das erste schöne an diesem tag:
ein grandioser beatboxer sitzt in einer ansonsten verwaisten lounge. er ist talentiert, hat ein hinreißendes lächeln und keine zeit, zu reden. schließlich macht er musik. uns zwar verdammt gute, entspannte musik, die mich dazu bringt, mich dazuzusetzten, mit den beinen zu wippen und die augen zu schließen. so lässt es sich aushalten.

bis zu meinem rückflug. irgendwann.

meine hoffnung stirbt eindeutig immer zu allerletzt.

was danach noch geschah:
- weitere vertröstungen bis 21:39
- eine fehlende passagierin, auf die wir stundenlang warteten (was letztendlich ganz gut war, denn die frau neben mir wollte eigentlich nach dresden)
- dann hatten wir plötzlich mehr koffer im flieger als vorher aufgenommen - terrorstufe gelb, alle koffer raus, hektische kontrolle, alle koffer wieder rein: schreibfehler.
- unser platz in der enteisungsschlange war nach diese aktion natürlich weg, also wieder hinten anstellen. platz neun bedeutete eine weitere verzögerung um fast eine stunde.

in diesem moment wackelte der kleine not-aus-schalter in meinem kopf bedenklich, aber ich behielt die kontrolle und gab mich nicht dem süßen wahnsinn hin. man hätte mich eh nur aus der maschine geschafft, ruhiggestellt und dann in stuttgart festgehalten. in denselben klamotten.

um kurz vor eins war ich wieder in berlin.

nachtrag: another day, another life - same shit

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